Grundschule Moselweiß schenkt acht Kindern ein Leben
„Wir sollten einmal etwas für andere Kinder machen, die nicht so viel haben wie wir“, sagte eine Klassensprecherin im Schülerparlament. Das Schülerparlament ist eine Institution, bei der sich die Klassensprecher aller Grundschulklassen treffen. Dort werden Themen, die in den einzelnen Klassenräten zur Sprache kamen und von Bedeutung für die gesamte Schulgemeinschaft sind, besprochen.
Den Vorschlag, etwas für andere Kinder machen zu wollen, fanden alle toll. Und es war schnell klar, dass für ein Projekt der Friedenskinder gespendet werden soll, aber welches Projekt sollte es sein? Nachdem alle Projekte der Friedenskinder vorgestellt worden waren, wurde abgestimmt. Mit großer Mehrheit beschloss das Schülerparlament, dass für herzkranke Kinder in Vietnam gespendet werden sollte. Für 1200 Euro, so lasen die Kinder vor, kann dort einem Kind ein Leben geschenkt werden. Gemeinsam wurde überlegt, wie sich dieses Vorhaben am besten umsetzen ließe, und ein Sponsorenlauf beschlossen. „Das machen wir, jetzt gehen wir in unsere Klassen und erklären allen, was wir vorhaben.“
Gesagt – getan. Die Klassensprecher warben in ihren Klassen für das Projekt. Nachdem alle Kinder das Vorhaben gut fanden, sollte es auch eine Vorstellung des Projekts für die gesamte Schulgemeinschaft geben. Hartmut Hoefs von den Friedenskindern kam in die Schule und zeigte den Kindern, wofür sie spenden würden. Auch Ba Hai Nguyen, der Gründer dieses Projekts, kam mit in die Schule und stand den Schülern Rede und Antwort. Kinder in Vietnam haben Herzfehler, weil das Entlaubungsmittel Agent Orange, das die Amerikaner im Vietnamkrieg einsetzten, heute in der Nahrungskette ist.
Die Familien, denen die Friedenskinder helfen, sind arm und können sich eine Operation nicht leisten, sodass die Kinder ohne Operation keine große Lebenserwartung hätten. Die Grundschulkinder hörten aufmerksam zu und am Ende freuten sie sich darauf, ihre Aufgabe, Geld für eben diese Kinder zu sammeln, angehen zu können.
Nun kam es wirklich auf die Kinder an. Würden sie Eltern, Verwandte und Freunde davon überzeugen, einen bestimmten Betrag pro gelaufener Runde zu zahlen? Jedem Sponsor wurde es freigestellt, einen Betrag pro Runde und/oder einen Höchstbetrag einzutragen. Die Sponsoren standen vor der Frage: Wie viele Runden läuft ein Grundschulkind in einer Stunde? Eine zu laufende Stadionrunde ist 400 Meter lang. Bei zehn Runden wären das vier Kilometer. Können Kinder ihre Kräfte einschätzen? Würden sie nicht ganz schnell, spätestens nach der zweiten Runde, fix und fertig sein?
Diese Fragen wurden beim Sponsorenlauf beantwortet. Jeder, der glaubt, dass die heutige Generation nichts mehr leisten könne, wurde an diesem Tag eines anderen belehrt. Alle, wirklich alle Kinder liefen eine Stunde lang. Auch untrainierte Kinder waren so motiviert, dass sie immer weiter machten. Ein Zweitklässler meinte nach der ersten Runde: „10 Euro hab‘ ich schon mal.“ Und ebenfalls ein Zweitklässler, der ein sehr guter Langstreckenläufer ist, rief in seiner letzten Runde: „Jetzt die 200 Euro!“ Die besten Langstreckenläufer liefen im ersten Schuljahr 21 Runden, im zweiten 19, im dritten 20 und im vierten sogar 25 Runden, das sind zehn Kilometer.
Die 120 Schüler der Grundschule Moselweiß liefen insgesamt 652 Kilometer weit. Das sind 1630 Runden. Jedes Kind ist also im Schnitt 13,5 Stadionrunden gelaufen.
Das Lehrerkollegium hatte vorher beschlossen, jedem Schüler pro Runde einen Zuschuss zu geben, sodass alleine hierüber 1731 Euro zusammenkamen. Eine Schülerin, deren Onkel einst als „Boat people“ von Vietnam flüchtete, lief so weit, dass alle ihre Verwandten und Freunde zusammen ein Kind retten konnten.
Anette und Bernd Wangelin, die den Verein Friendskinder.de leiten und aus Koblenz stammen, waren von der Spendensumme gleichzeitig überrascht und überwältigt: Ende 2013 wurde das 260ste Kind am Herzen operiert, allen Kindern geht es gut, wie Schwester Anna Hue berichtete: „Wir sind froh über die nicht nachlassende Unterstützung vieler Spender, die sich besonders für diese Kinder engagieren, es ist großartig.“ Mit mehr als 10 000 Euro ist es nun möglich, acht weiteren Kindern ein Leben zu schenken.
Jede der acht Klassen der Grundschule Moselweiß wird ein Bild von einem Kind erhalten, das sie gerettet haben. Schöner kann der Lohn für eine Stunde Arbeit nicht sein. Dieses Gefühl, anderen zu helfen und dabei auch Freude zu empfinden, kann die Grundschule Moselweiß ganz sicher zur Nachahmung empfehlen.
RZ Koblenz und Region vom Freitag, 28. Oktober 2016, Seite 52